Odenwaldklub
Groß-Zimmern e.V.

wandern mit dem Odenwaldklub


Wanderbares Zimmern, Teil 4

Corona hält uns weiter im Griff und verordnet manchen mehr Freizeit als gewünscht. Vielleicht eine gute Gelegenheit, die schöne Natur in unserer Region (neu) zu entdecken.

Spaziergang zurück in die Eiszeit

13000 Jahre ist die letzte Eiszeit her. Spuren hat sie bis heute hinterlassen. Zum Beispiel mit dem Sandrasen am Freizeitgelände Spießfeld in Dieburg. Eine besonders abwechslungsreiche Tour dorthin haben die Wanderführer des Odenwaldklubs Groß-Zimmern für ihre vierte Wanderempfehlung zusammengestellt.

Start und Ziel ist der Waldparkplatz am Laubweg (auch als Lange Schneise bekannt). Vom Parkplatz geht es zunächst ca. 200 m geradeaus in den Wald hinein, dann am ersten Querweg links und kurze Zeit später nach rechts. Dieser Waldpfad passiert auf einer Länge von ca. einem Kilometer zuerst die ehemalige Birkenruhe und später eine Aufforstung. Kurz bevor der Weg scheinbar auf die Wiesen Richtung Gundernhausen hinausführt, macht er unvermittelt einen Schlenker nach rechts. Wenige Schritte danach tut sich von rechts eine breite Schneise auf. Die Beschilderung ist verwirrend. Ein rotes Schild vermeldet Fischweiherweg, ein anderes Fischwasser. Nur wer den Kopf reckt und sich etwas dreht, findet auch das Schild Kümmelswiesenschneise. Dieser Schneise folgt man nun bis zu ihrem Ende für insgesamt etwa 2 Kilometer. Sie überquert zuerst die Lange Schneise, kommt am Vogelhäuschen des Schmalen Beckerwegs vorbei und kreuzt schließlich den Breiten Beckerweg. Wenige Meter dahinter biegt ein schmaler Trampelpfad nach links ab.

Ihn sollte man keinesfalls verpassen. Denn er leitet zu den Wassertümpeln, die im Rahmen des Projektes Messeler Hügelland angelegt wurden. Eine Baumelbank lädt hier ein, nicht nur gelenkfreundlich die Beine baumeln zu lassen, sondern auch die Seele. Bei warmem Wetter lassen sich die Libellen und Zitronenfalter bei ihrem Tanz über die Wasseroberfläche beobachten. Manchmal zieht auch ein krächzender Kolkrabe durch die Luft und aus Mangel an den üblichen Umweltgeräuschen erscheint das Vogelgezwitscher lautstark. Eigentlich möchte man diesen dank seiner wilden Natur fast mystisch erscheinenden Ort gar nicht mehr verlassen. Doch die Wanderung ist noch nicht zu Ende.

Zurück auf der Kümmelswiesenschneise geht es linkerhand an der mit Schwarzerlen aufgeforsteten Kümmelswiese vorbei, bald über den Viehtrieb hinweg und immer weiter auf dem sich langsam verengenden Pfad, der sich einmal nach links und dann wieder nach rechts windet. Allmählich wird der Boden sandiger, die Baumstümpfe immer bizarrer. Die Kümmelswiesenschneise endet schließlich auf dem Weg, der vom Viehtrieb kommend zum Freizeitgelände führt. Diesem breiten Wanderweg folgt man wenige Meter nach links und nimmt die erste Möglichkeit nach rechts. Hier betritt man das Landschaftsschutzgebiet des Sandrasens – eine offene Wiesenlandschaft, in der derzeit unzählige Schafe mit ihren Lämmern ihren Dienst als Landschaftspfleger leisten.

Entlang der Ginsterbüsche geht es weiter bis zu einem Hochsitz in der Ecke, dann biegt man links ab und gelangt vorbei an einem eingezäunten Gelände schließlich zum östlichsten Zipfel der Dieburger Freizeitanlage Spießfeld. Hier hat man die Qual der Wahl – zuerst den See umrunden oder sich gleich auf einer der Bänke niederlassen, um sich an den Küken der Nilgänse zu erfreuen oder den Graugänsen, Stockenten und Kormoranen zuzuschauen. So oder so – irgendwann heißt es auch hier Abschiednehmen von diesem Naturschauspiel und das Spießfeld über den östlichen Ausgang Richtung Dieburg zu verlassen.

Zwischen Sandrasen und Acker, mit Blick auf die Geflügelfarm und die ersten Häuser von Dieburg, führt der Weg weiter. Eine leider nicht mehr gut lesbare Infotafel zu Flora und Fauna dieser Region steht etwas abseits vom Weg (derzeit hinter einem Schafzaun). Dort wo der Sandrasen an das erste Feld grenzt, biegt man rechts Richtung Süden ab, nur um kurze Zeit später wieder den Feldweg in Richtung Dieburg einzuschlagen und auf das Grün am Entwässerungsgraben zuzugehen. Am Hochsitz geht es rechts und dann braucht man nur noch dem Weg, der zunächst am Waldrand, dann über den Graben hinweg schließlich quer durch den Wald verläuft, treu zu bleiben. Er mündet schließlich auf einen breiten Waldweg mit einem Hochsitz, an dem es links zum Parkplatz am Viehtrieb geht. Der schmale Pfad mit der Kennzeichnung gelber Doppelstrich zwischen Schranke und Papierkorb weist den Weg zum Ziel.

LebensraumSandrasen_Karte.jpgKartenausschnitt mit eingezeichneter Wanderstrecke

GPS-Track zum Download: Download der Datei "LebensraumSandrasen.gpx"
oder
Den Track auf Open-Streetmap-Karte ansehen

Nützliche Infos:

Start und Ziel: Waldparkplatz am Laubweg
Streckenlänge 6,5 km
Abkürzungsmöglichkeit: Vom Parkplatz Laubweg dem Schmalen Beckerweg folgen bis zum Vogelhäuschen. Dann rechts in die Kümmelsschneise einbiegen und weiter wie beschrieben (insgesamt 5,2 km)

Interessantes am Weg

Kümmelswiese und das Naturschutzprojekt Messeler Hügelland
Tatsächlich wuchs auf der Wiese, zwischen Breitem Beckerweg und Viehtrieb einst Wiesenkümmel. Vor mehr als 30 Jahren verschwand die Wiese jedoch zugunsten einer Aufforstung mit Schwarzerlen. Heute befinden sich in direkter Nachbarschaft die erst vor wenigen Jahren neu geschaffenen Teiche mit der Baumelbank. Sie gehören zu den insgesamt 120 Wassertümpeln, die im Rahmen des Naturschutzprojektes Messeler Hügelland in den Jahren 2010 bis 2018 im südlichen Teil des Messeler Hügellandes auf rund 9000 ha angelegt wurden. Das Kooperationsprojekt des Landes Hessen mit dem Landkreis Darmstadt-Dieburg hatte zum Ziel, die Biodiversität in der Region nachhaltig zu schützen, zu steigern und für den Menschen begreifbar zu machen. Ein besonderes Augenmerk lag darauf, Feuchtwälder gezielt zu fördern und Naturruhezonen einzurichten. Auch die Vernetzung von Feuchtbiotopen, beispielsweise durch die Renaturierung von ehemaligen Entwässerungsgräben, trug wesentlich dazu bei, bedrohten Arten wie der Gelbbauchunke, dem Laub- und Moorfrosch, Ziegenmelker, Wendehals und Pillenfarn Lebensräume anbieten zu können. Eine besondere Maßnahme im Zimmerner Wald stellte auch die Freistellung der Sandkaute in der Nähe der Kümmelswiese am Viehtrieb dar. Früher wurde hier Sand als Baumaterial abgebaut. Die Sandkaute stellt gerade für wärmeliebende Käferarten, Wildbienen und Falter einen wertvollen Lebensraum dar.

TeichKuemmelswiese.jpgFast ein mythischer Ort: die Teiche an der Kümmelswiesenschneise

Lebensraum Sandrasen
Die geologische Beschaffenheit des Landschaftsschutzgebietes Sandrasen in Dieburg hat ihren Ursprung vor rund 13000 Jahren. Am Ende der letzten Eiszeit wurde aus den Schotterfeldern des Rheins, des Altneckars und des Mains Flugsand ausgeblasen und örtlich zu Binnendünen aufgeweht. Vielerorts sind sie schon der landschaftlichen Nutzung, unter anderem auch dem Spargelanbau, der Überbauung oder Aufforstung zum Opfer gefallen. Heute genießen die noch vorhandenen Trockenlebensräume wie der Dieburger Sandrasen dank der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie einen besonderen Schutz. Sandgebiete sind durch Trockenheit, Wärme, Nährstoffarmut und geringe Bodenentwicklung Lebensraum für eine Vielzahl von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Die durchlässigen Böden können kaum Wasser speichern, erhitzen sich im Sommer auf bis zu 60 Grad Celsius und trocknen im Jahresverlauf extrem aus. Pflanzen und Tiere, die hier zu Hause sind, haben sich in vielfältiger Weise an diese extrem trockenen Bedingungen angepasst. Auch Insekten, vor allem Wildbienen, lieben den sandigen Lebensraum.

FZG_Spiessfeld.jpgFreizeitgelände Spießfeld

Schafe als Landschaftspfleger
Schafe tragen wesentlich dazu bei, den Lebensraum Sandrasen für gefährdete Tiere und Pflanzen wie zum Beispiel das Silbergras und die Grasnelke, für den Sandlaufkäfer oder die Blaue Ödlandschrecke zu erhalten. Denn auf ihrem Speiseplan steht all das, was normalerweise zur Verbuschung dieser Landschaft führen und somit den Bewohnern den Lebensraum nehmen würde. Außerdem transportieren die Schafe bei ihrer Wanderung von einem Weidegebiet zum anderen Pflanzensamen in ihrem Pelz, so dass einzelne Sandareale miteinander vernetzt werden und sich seltene Pflanzenarten leichter ausbreiten können.

Autorin Birgit Eisenlöffel
SchafeSandrasen.jpgLandschaftspfleger bei ihrer Arbeit auf dem Sandrasen