Wanderbares Zimmern regional, Teil 1
Unterwegs auf dem Kuckucksweg
Im Sommer 2021 wird der Odenwaldklub Groß-Zimmern 90 Jahre jung. Die Gründerväter von 1931 hätten sich wohl kaum vorstellen können, dass das Vereinsgeschehen im Jubiläumsjahr einmal durch ein klitzekleines Virus ausgebremst werden könnte. Doch genauso ist es. Gruppenwanderungen sind seit einigen Monaten tabu und bleiben es vorerst noch. Die Wanderlust ist jedoch weiterhin ungebrochen. Der OWK führt deshalb seine Serie aus dem Frühjahr „Wanderbares Zimmern“ mit Vorschlägen aus der Region fort, um Wanderfreudigen Anregungen für individuelle Wanderungen zu geben. In dieser Folge ist der OWK auf dem Kuckucksweg bei Raibach unterwegs.
Die sechseinhalb Kilometer lange Strecke rund um den Groß-Umstädter Stadtteil Raibach erhält ihren ganz besonderen Charme durch die vielen unterschiedlichen Landschaftsbilder: Tief eingeschnittene Hohlwege, Streuobstwiesen und kleine Wäldchen. Ist das Wetter gut, besticht der Weg sogar durch eine herrliche Fernsicht bis hin zum Taunus und der Frankfurter Skyline. Die Wanderung verläuft auf gut begehbaren Feld- sowie Waldwegen und ist für den gemütlichen Spaziergänger genauso reizvoll wie für den strammen Wanderer. Denn sie lässt sich großartig variieren, abkürzen und verlängern.
Zehn Geopunkte mit Infotafeln machen zudem auf so manches aufmerksam, was man anders übersehen würde. Wer weiß schon, dass der Raibach, an dem einst vier Mühlen arbeiteten, heute nur noch unterirdisch fließt und der Name des Örtchens reger schnell fließender Bach bedeutet oder die Geburtsstunde des Darmstädter Langen Luis in einem Raibacher Sandsteinbruch schlug - gebrochen und bearbeitet von Raibacher Steinmetzen.
Start und Ziel ist am Sportplatz in Raibach. Ob im oder gegen den Uhrzeigersinn – die Strecke ist in jede Richtung attraktiv. Wer sich die Option offenhalten will, die Wanderung gegebenenfalls bis in die Groß-Umstädter Weinberge zu erweitern, wandert besser mit dem Uhrzeigersinn. Verlaufen ist auf der Strecke fast nicht möglich. Dafür sorgen die Markierung R1 des Odenwaldklubs und die putzigen Piepmätze (stilisierte Kuckucke) auf den Sandsteinstelen, die an wichtigen Kreuzungen mit ihren Schnäbeln in die richtige Richtung zeigen.
Zur Bachgauer Hohl und zum Binselberg
Für die Wanderung im Uhrzeigersinn überquert man zunächst die L 3413, biegt in den Sandweg ein, der allmählich bergauf führt. Mit Blick in die offene Landschaft erreicht man nach etwa einem Kilometer ein kleines Wäldchen und den Geopunkt Bachgauer Hohl. Sie ist eine von vielen Hohlwegen, die einst die Landschaft in dieser Region geprägt haben. Am Geopunkt erfährt man, dass die Hohlwege als Zubringer zu den ehemaligen Fernstraßen auf den Höhen dienten. Blickt man in die tiefe Schlucht, kann man gut nachvollziehen, wie früher die Fuhrwerke den Berg hinunter von Hand mit sogenannten Hemmschuhen gebremst werden mussten und dadurch tiefe Schluchten ins Erdreich eingruben.
Die Markierung R1 führt weiter zum Binselberg hinauf. Wer sich den Aufstieg ersparen und den Weg um etwa eineinhalb Kilometer abkürzen möchte, kann an der Bachgauer Hohl dem V folgen und damit den direkten Weg zum Steinbruch einschlagen.
Folgt man dem R1 hinauf, touchiert man kurz die L 3413, marschiert an den beiden Windrädern vorbei, überquert die K 101 und gelangt schließlich zu einem weiteren Geopunkt, dem historischen Wegkreuz, wo man sich über alte Straßenverbindungen informieren kann. 300 Meter folgt der R1 nun in südöstlicher Richtung dem Waldrand parallel zur Straße, dann taucht er in den Wald ein und erreicht nach 500 Metern den Parkplatz und die Bushaltestelle „Am alten Steinbruch“.
Zum Geburtsort des Langen Lui
Jenseits der L 3413 führt der Weg bergab. Nach 600 Metern mündet der Pfad auf einen breiteren Waldweg. Dort muss man sich rechts halten, dann ist der Steinbruch am Heegwald erreicht. Für Kinder ist das hügelige, ein bisschen verwilderte Gebiet ein Paradies zum Toben. Zum Ausruhen und Vespern lädt die überdachte und geräumige Sitzgruppe ein. Wissensdurstige finden Lesestoff auf zwei Infotafeln: Im Steinbruch zu den Berufen und verwendeten Werkzeugen, am Eingang die Entstehungsgeschichte des Darmstädter Langen Lui. Kommt man aus dem Steinbruch heraus, wendet man sich nach links. Jetzt geht es auf weichem Waldboden und auf gleichbleibender Höhe rund 300 Meter weiter. Schon frühzeitig macht eine Markierung auf einen baldigen Abzweig aufmerksam. Diesen Vorwegweiser braucht es tatsächlich, um das schmale Pfädchen mit den Holztreppen, das kurze Zeit später nach rechts abbiegt, nicht zu verpassen. Dann ist es nicht mehr weit bis zum Waldrand und dem schönen Aussichtspunkt: Über die Felder hinweg blickt man hinunter nach Raibach und ins Umland. Bei klarem Wetter zeigen sich in der Ferne der Frankfurter Flughafen, die Frankfurter Skyline, der Taunus und der Spessart. Mit Blick auf Raibach geht es dann über die Felder hinunter zur Streuobstwiese Büschel und auf dem Asphaltweg zurück zum Ausgangspunkt.
Nützliche Infos:
Streckenlänge: 6,5 Kilometer
Abkürzung: 5 Kilometer. Dazu nimmt man ab der Bachgauer Hohl den V-Weg, der direkt zum Sandsteinbruch führt.
Verlängerung: 7 Kilometer. Vor allem wenn Kinder dabei sind, ist der Abstecher zur Hängebrücke auf der Hohen Straße ein Muss. Dazu verlässt man kurz nach dem Aussichtspunkt oberhalb von Raibach den bergab führenden R1 nach links und wandert ohne Markierung zunächst auf gleichbleibender Höhe, dann das Feld hinauf und gelangt durch den Wald zur Schutzhütte Förster Zimmer Ruhe an der Hohen Straße. Wenige Meter linkerhand befindet sich die Hängebrücke und circa 300 Meter rechts der Aussichtspunkt Frankfurter Blick. Wenige Schritte nach diesem Aussichtspunkt auf der Hohen Straße biegt ein Weg nach rechts ab, der nach etwa 200 Metern in den R1 mündet.
Alternativroute über die Weinberge: Circa 10 Kilometer
Von der Hohen Straße führen viele Wege nach Groß-Umstadt. Wer sich dem U2 anvertraut, gelangt auf schmalen Pfaden zu den Groß-Umstädter Weinbergen und zum Naturdenkmal Steinbornshohl oberhalb von Groß-Umstadt. Um von hier nach Raibach zurückzuwandern, verlässt man den U2 und wandert geradeaus weiter zum Jugendstilwasserwerk am Knöß. Nach circa 600 Metern verzweigt sich der Weg oberhalb eines Reiterhofs. Der Hohlweg nach rechts führt noch rund 300 Meter durch den Wald, dann auf eine Lichtung zu einer Schonung mit Weihnachtsbäumen. Am Waldrand entlang geht es weiter, bis nach etwa 200 Metern ein Trampelpfad auf der linken Seite die Möglichkeit eröffnet, durch eine Senke auf die andere Hangseite zu gelangen, wo man die Ausläufer einer Streuobstwiese und kurz danach den R1-Weg erreicht. Geradeaus hinunter geht es zum Ausgangspunkt zurück.
Weitere Alternativen bietet die Oktoberwanderung des OWK-Groß-Zimmern - auf dieser Webseite - die in Groß-Umstadt startete. Die GPS-Daten dafür sind unter Wanderungen und Berichte zu finden, oder direkt: GPS Oktoberwanderung Groß-Umstadt
Raibach und der Sandstein
Zwei Sandsteinbrüche sorgten im 19. Jahrhundert neben der Landwirtschaft, dem Weinbau und der Forstwirtschaft für Arbeitsplätze in Raibach. Fast ein Drittel der Raibacher Männer waren hier tätig, darunter die Steinbaumeister Leonhard Fischer und Heinrich Reitz. Sie bewarben sich 1839 erfolgreich um den Auftrag für den „Langen Lui“. Sie und viele weitere Steinmetze und Gesellen schufen Bauwerke und Skulpturen für die Region, die noch heute erhalten sind. Leonhard Fischer und Heinrich Reitz teilten das Schicksal vieler ihrer Berufsgenossen und starben vor ihrem 60. Lebensjahr an Staublunge. Auf dem Friedhof von Raibach, direkt neben der Trauerhalle, erinnert eine Sandsteinstele an Leonhard Fischer.
Autorin Birgit Eisenlöffel
OWK Rastplatz Steinbruch OWK Sandsteinstele mit Kuckuck
Kartenausschnitt mit eingezeichneter Wanderstrecke
GPS-Track zum Download: Download der Datei "Kuckucksweg-Raibach.gpx"
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Dezember Panorama Raibach