Wanderbares Zimmern regional, Teil 4
Nach Ober-Klingen – leider ohne Einkehr
Wandern und Einkehren – das gehört für viele Menschen einfach zusammen. Geradezu prädestiniert dafür ist der Wandervorschlag des Odenwaldklub Groß-Zimmern von Überau nach Ober-Klingen. Doch leider ist ein Besuch des Bauernhofcafé Grünewalds Corona bedingt wohl auch weiterhin nicht möglich. Trotzdem lohnt sich die Wanderung. Dafür sorgen die Weite des Reinheimer Hügellands und das Storchennest bei Nieder-Klingen.
Start- und Endpunkt ist in Überau am Friedhof. Die Straße am Pfarrgarten führt direkt hinaus ins Feld. Kaum dort angekommen überrascht der fast grenzenlose Blick in die Ferne und die herrliche Sicht auf die Veste Otzberg, die auf dieser Wanderung ein steter Begleiter ist. Nach rund 500 Metern, wenn der Wiesenweg zu Asphalt wird, ist Perspektivwechsel angesagt. Es geht auf der Höhe nach links. Der Blick fällt auf Reinheim, zum Rehberg bei Roßdorf und auf die Kirchtürme von Groß-Zimmern. In der Ferne sind der Taunus und Spessart auszumachen. Gefühlt läuft man direkt auf die weißen Türme des Kraftwerks Staudinger zu. Nach 300 Metern, am übernächsten Querweg, folgt wieder ein Perspektivwechsel. Es geht nach rechts hinunter in die Talmulde und auf der gegenüberliegenden Seite an dem kleinen Wäldchen Hasselhecke entlang wieder hinauf auf die Höhe. Die Hasselhecke ist weit und breit der einzig schützende Bereich für Vierbeiner. Wenn man Glück hat, kann man hier Rehe beobachten, die sich gerade aus der Deckung herauswagen. Auf der Höhe fällt die Orientierung leicht. Links weht weithin sichtbar eine Wetterfahne, die es nun gilt anzusteuern. Sie gehört zu einem Modellflugplatz. Seine exponierte Lage und die beiden dort aufgestellten Bänke laden noch einmal zu einem wunderschönen Rundumblick ein.
Ueberau Sonnenuntergang
Nach Niederklingen zum Storchennest
Danach geht es auf dem landwirtschaftlichen Weg sanft bergab. Nach rund einem Kilometer macht der Weg eine sachte Linkskurve, führt an einer Streuobstwiese und einem Gartenidyll mit Teich vorbei zur K 117. Nach dem Überqueren der Straße stößt man auf die Flaniermeile der Klinger. Klein und Groß, Alt und Jung sind hier zwischen Heydenmühle und Nieder-Klingen unterwegs und frequentieren bei gutem Wetter eifrig die vielen Bänke am Wegesrand. Es geht nach rechts und schon bald ist die Attraktion des Weges erreicht: Mitten im Feld in schwindelnder Höhe auf einem Mast befindet sich ein Storchennest, aus dem es Ende Februar schon lautstark klapperte. Diesem Storchennest ist der Rundwanderweg Klinger Storch gewidmet, unverkennbar markiert mit einem stilisierten Adebar. Eine Schautafel am Wegesrand informiert über die Entstehungsgeschichte des Klinger Storchs und kleine Täfelchen machen auf die heimische Flora und Fauna aufmerksam.
Hat man sich am tierischen Treiben satt gesehen, folgt man dem Weg weiter Richtung Nieder-Klingen. Auf Höhe des frisch instand gesetzten Anglerteichs – zwischen einer Bank und einem größeren Stein – verlässt man den beliebten Spazierweg nach links und folgt dem mit O1 markierten schmalen Pfädchen. Es mündet beim Bauernhof Saal in die Krumme Straße und leitet weiter zur Lengfelder Straße in der Ortsmitte. Wer Freude an Fachwerkensembles hat, ist hier gerade richtig. Das alte Rathaus, aber auch die evangelische Kirche sind es durchaus wert, genauer betrachtet zu werden.
Wo die Lengfelder Straße in den Hollergraben mündet, weisen viele Wanderzeichen den Weg. Eine gute Hilfe ist ab hier der grüne Punkt, der vom Otzberg herunterkommt und nun Richtung Ober-Klingen weiterführt. Der grüne Punkt markiert einen wunderschönen Naturpfad, der allmählich Höhe gewinnt und herrliche Blicke in die Hügellandschaft zulässt. An der kleinen Bergkirche in Ober-Klingen steigt man über die Kirch- und Kohlbacher Straße zur Bachstraße ab, wo sich im Bauernhofcafé Hungrige und Durstige zu normalen Zeiten ihre Gaumen verwöhnen lassen können.
Oberklingen Kirche
Übers Feld zurück nach Überau
Danach geht es über die Volkshaus-, Wilhelm-Leuschner- und Neckarstraße in die Mühlstraße. Auch dabei hilft der grüne Punkt. 500 Meter muss man auf der Mühlstraße ordentlich hinaufsteigen, dann verlässt man an einem Mobilfunkmast mit Trafohäuschen die Straße und nimmt den unmarkierten Feldweg nach rechts. Eine Bank lädt noch einmal zu einem genussvollen Blick auf Ober-Klingen und zum Otzberg ein, bevor man seinen Weg übers Feld fortsetzt. Schon bald schwenkt der Pfad scharf nach links und führt steil bergab in eine Talmulde nur, um gleich wieder die Höhe zu erklimmen. Meist wird man hier von unzähligen Krähen begleitet, die auf den umgebenden Feldern Nahrung und in dem Pappelwäldchen in der Senke ihren Schlafplatz finden. Nun braucht man sich für rund 800 Meter nur noch dem Verlauf des Feldwegs anzuvertrauen und die schönsten Seiten des Reinheimer Hügellandes zu genießen. Nach einem steilen Abstieg ist der Weg geradeaus verwehrt. Hier wendet man sich nach rechts und wandert nun auf einem schmalen Pfädchen zwischen zwei Feldern - jegliche Abzweige ignorierend - immer geradeaus bis zum Reinheimer Weg, der als Rad-Wander-Weg Nr. 22 von Nieder-Klingen kommt. Noch einmal streift man die Hasselhecke, jetzt auf der westlichen Seite, dann geht es auf Sicht zurück nach Überau.
Start und Ziel: Friedhof Überau (östliche Seite), Straße Am Pfarrgarten
Streckenlänge: 10 Kilometer
Anforderung: Da die Strecke durch offene Landschaft führt, ist die Wanderung vor allem bei schönem, aber nicht zu heißem Wetter ein Genuss. Die Feldwege können nach Regenfällen matschig sein. Bei Sonne gehören Getränke und Sonnenschutz in den Rucksack.
Einkehr: Bauernhofcafé Grünewalds, Bachstraße 4, 64853 Ober-Klingen, Tel. 06162-72425 www.bauernhofcafe-gruenewalds.de Corona bedingt bietet die Gaststätte derzeit nur Abholservice an.
Das Reinheimer Hügelland
Zwischen Überau und Nieder- bzw. Ober-Klingen zeigt sich das Reinheimer Hügelland in Bestform. In der fast baumlosen, sanft welligen Landschaft fühlt sich der Wanderer fast wie Treibholz auf einem Meer mit ruhigem Wellengang. Das sanfte Auf und Ab beschert immer wieder neue Perspektiven und Ansichten der näheren und weiteren Umgebung.
Doch das Reinheimer Hügelland, das sich von Roßdorf über Reinheim bis nach Brensbach und von Otzberg und Groß-Umstadt bis Schaafheim erstreckt, ist nicht nur gut fürs Auge. Die sanften Hügel bei Reinheim sind eigentlich Flugsanddünen, die sich während der letzten Eiszeit vor über 10 000 Jahren gebildet haben. Kalkhaltiges Material wurde damals von Gletschern zerrieben bzw. zermahlen und ist als Staub (Löss) hierher verweht worden. Dank ihrer mächtigen Lössauflage zählen die Äcker des Reinheimer Hügellands zu den fruchtbarsten und ertragreichsten Deutschlands. Dass Lössböden hervorragend Wasser speichern können und gut durchlüftet sind, freut die Landwirte – insbesondere auch mit Blick auf den Klimawandel. Bis zu 30 Prozent ihres Volumens können die Böden an Wasser aufnehmen und in Trockenzeiten an die Pflanzen abgeben. Leider wird der Löss bei Niederschlägen leicht abgeschwemmt bzw. erodiert, wenn er nicht bewachsen ist. Bis ein Zentimeter verlorener Boden wieder entsteht, braucht es 100 Jahre!
Autorin Birgit Eisenlöffel
Otzberg Nieder-Klingen
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