Odenwaldklub
Groß-Zimmern e.V.

wandern mit dem Odenwaldklub

Wanderbuch 90 Jahre OWK Gr-Zi, Interview mit Förster Starke:
Lebensraum Wald – Ein Intensivpatient?

Ein Drittel Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Für uns als Wanderverein ist er existenziell wichtig, und der Erhalt unserer Wälder ist Aufgabe von Politik, Wirtschaft, aber auch jedes Einzelnen.

Einen Großteil unserer gemeinsamen Freizeit wandern wir im Odenwald, Spessart oder Taunus. Der Zimmerner Wald wird aber wieder mehr und mehr unser Wanderziel, denn in Pandemiezeiten erhält Bewegung in der unmittelbaren Umgebung einen hohen Stellenwert. Es wird geschätzt, dass fünfmal mehr Menschen seit Ausbruch von Corona den heimischen Wald für ihre Freizeitaktivitäten nutzen. Mit Revierförster Martin Starke, der zurzeit für mehr als 2000 Hektar Wald verantwortlich ist, unterhält sich Monika Ebert rund um dieses Thema.

WaldschädenTrockenschäden am Spießfeld

Herr Starke, erstmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns zu sprechen! Aus dem Zustandsbericht über den hessischen Wald 2020 geht hervor, dass er den schlechtesten Vitalitätszustand seit Beginn der Erhebungen 1984 aufweist. Das klingt besorgniserregend. Wie beurteilen Sie als Fachmann die Situation?

Zuallererst möchte ich dem OWK Groß-Zimmern zu seinem Jubiläum gratulieren. Er ist einer der ältesten Vereine der Gemeinde und hat sich schon immer intensiv mit dem Lebensraum Wald beschäftigt. Ihr habt den Bürgern die Schönheit unserer Zimmerner und Odenwälder Landschaft vermittelt. Dafür darf ich mich ganz herzlich bei euch allen bedanken.

Doch nun zur Frage: Schon zu meiner Studentenzeit vor fast 40 Jahren war das Waldsterben ein Thema, für das wir Menschen mit unserer Lebensweise verantwortlich sind. Inzwischen wurde viel getan, um Schadstoffemissionen zu reduzieren, so zum Beispiel durch Einbau von Filtertechnik in Schornsteinen, Müllverbrennung oder Autokatalysatoren. Gleichzeitig werden diese positiven Aspekte durch steigenden Verkehr und Energieverbrauch wieder aufgehoben. Erneuerbare Energien stehen deshalb im Fokus der Entwicklung. Die meisten von uns sehen das auch so,  aber wenn es konkret wird — siehe Windkraft — trifft man oft auf Ablehnung.

Zu diesen Belastungen für den Wald sind in den letzten Jahren Faktoren hinzugekommen, die inzwischen jeder kennt: Klimawandel und damit verbundene Trockenheit, Borkenkäfer und Pilzbefall. Der Wald leidet in bisher nicht gekanntem Ausmaß darunter. In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch auf die weltweite gewerbsmäßige Zerstörung von Wald durch den Menschen hinweisen. Um das Ausmaß deutlich zu machen: Ein Gebiet, so groß wie der Zimmerner Wald (750 Hektar), wird weltweit (4000 Quadratmeter/Sekunde) in nur 32 Minuten gerodet!


Und der Zimmerner Wald interessiert uns natürlich besonders, wie ist da die Situation?

Gleich als ich vor circa 30 Jahren als Revierförster hier anfing, machten mir Wiebke und Vivian zu schaffen, zwei verheerende Stürme. 70 Hektar Fichtenbestände wurden vernichtet. Meine Vorgänger und ich haben diese Flächen mit Eichen aufgeforstet, auch unter dem Aspekt, dass sie die Klimaerwärmung besser vertragen. Das hat sich als richtig erwiesen.

Aber den Herausforderungen der letzten Jahre seit 2018 mit enormer Trockenheit, haben andere Bäume weniger entgegenzusetzen. Fichten, die eher höhere Lagen lieben, sind vertrocknet und fast völlig aus meinem Revier verschwunden. Selbst unser ureigenster Baum, die Buche, ist betroffen. Eine Temperaturerhöhung von vielleicht zwei Grad wäre sicher noch zu verkraften, aber wenn die Wasserversorgung durch die Wurzeln ausbleibt, haben viele Bäume keine Chance. Daran ändern auch die feuchten Winter nichts, wenn in der Wachstumsperiode von April bis Oktober so gut wie kein Niederschlag fällt. Bei einem Spaziergang durch den Wald sollte man mal nach oben schauen, denn in den Kronen der Bäume ist das Absterben zuerst zu sehen.

Das alles hat zur Folge, dass in den letzten Jahren bei uns keine normale Durchforstung mehr möglich war, sondern nur Schadholz eingeschlagen wurde. Auf einigen Flächen wurde das stehende Schadholz belassen, so dass sich die Natur ungestört entwickeln kann. Daraus wird wieder Wald entstehen, aber der Mensch muss lernen, dem Wald dafür auch die nötige Zeit zu geben.

Generell sind die Schäden im Zimmerner Wald nicht ganz so groß, wie in anderen Gebieten Hessens, aber trotzdem hätte ich mir vor ein paar Jahren ein solches Ausmaß nicht vorstellen können.

Was kann man denn wirksam unternehmen, um diesen Entwicklungen Einhalt zu gebieten?

Wenn wir nicht endlich die Grenzen unseres Wachstums erkennen und danach handeln, wird das schwierig. Ich war auf einer Fortbildung und dort wurde prognostiziert, dass 2050 bei uns ein Klima herrschen könnte wie heute südlich von Barcelona. Das würde bedeuten, dass es hier zum Beispiel auch keine Buchen mehr gäbe. Eichen sind noch am widerstandsfähigsten und unsere Eichenwälder sollten gesichert werden. Auch Mischwald ist gegen Witterungsextreme relativ resistent. Ebenso ist zu hoffen, dass sich junge Bäume an die veränderten Bedingungen besser anpassen können.

Überlegungen und Versuche, zum Beispiel mediterrane Eichenarten anzupflanzen, gibt es, aber wir sollten sehr vorsichtig beim Einsatz von fremdländischen Baumarten sein. Erfahrungen sammeln ja, aber noch keinen großflächigen Einsatz. Wir wollen unser Ökosystem erhalten und niemand kann die Auswirkungen von fremdartiger Bepflanzung auf dieses System abschätzen.

Zusammengefasst: Wir müssen den Wald anpassungsfähiger gestalten, denn gießen können wir ihn nicht. Ob das in der Kürze der Zeit bei einem sich so langsam entwickelnden Lebensraum möglich sein wird, müssen wir abwarten. Vor der nächsten Förstergeneration liegt viel Arbeit. Aber ohne eine nachhaltige weltweite Veränderung zu erneuerbaren Energien und Verhaltensänderungen von uns allen, wird es kaum gelingen.

Gibt es denn bessere Nachrichten über den Tierbestand und wie ändern sich auch die Beziehungen zwischen Wald und Tier?

Auch hier ist eine einfache Antwort nicht möglich. Das vorhin schon angesprochene Totholz hat ja den positiven Nebeneffekt, dass es Lebensraum bietet für Pilze und Flechten, aber auch für Insekten, Käfer, Spechte und Fledermäuse. Wir haben im Zimmerner Wald zum Beispiel 16 Arten Fledermäuse. Das ist enorm, denn in Deutschland kommen nur 25 Arten vor.

Rehe benötigen FreiflächenRehe benötigen Freiflächen, um den Verbiss an jungen Baumtrieben zu verhindern


EichelhäherEichelhäher sorgen für natürliche Waldverjüngung

Rotwild, das durch Schälen der Bäume größere Schäden im Wald anrichtet, haben wir bei uns zum Glück nicht. Durch das Naturschutzprojekt Messeler Hügelland -„Artenvielfalt vor unserer Haustür“ - konnten wir den Lebensraum für Amphibien wie Molche, Frösche, Kröten, Lurche oder Salamander deutlich verbessern.
Wildkatzen oder Luchse wurden noch nicht gesichtet, dafür aber vereinzelte Wölfe, die jedoch auf der Durchreise waren und sich wohl nicht im Ballungsraum Rhein-Main ansiedeln werden. Wildschweine lockern den Boden auf und arbeiten dabei Eicheln oder Bucheckern ein und bieten ihnen damit gute Wachstumsbedingungen. Auch der Eichelhäher sorgt für eine großflächige Verbreitung von Samen.

Es gibt aber auch negative Effekte. Das bekannteste Beispiel ist der Borkenkäfer, der durch die Trockenheit sehr gute Bedingungen für eine explosionsartige Vermehrung vorfindet. Er schädigt hauptsächlich die Fichten, teilweise auch Lärchen. Ebenfalls durch den Klimawandel ist der Rußrindenpilz auf dem Vormarsch, der den Bergahorn befällt.

Auch die Globalisierung hat für den Wald negative Auswirkungen. So wurde zum Beispiel aus Asien ein Pilz eingeschleppt, der das Eschentriebsterben verursacht. Deshalb werden zurzeit keine Eschen gepflanzt.

Sie sprachen schon das Naturschutzprojekt Messeler Hügelland an. Welche Möglichkeiten haben sich daraus für unseren Wald eröffnet?

Das Projekt kam 2010 durch die damalige Forstministerin, Silke Lautenschläger, ins Rollen. Sie stammt aus Modautal und hörte sich bei einem Besuch unsere Wünsche und Vorstellungen an. Daraufhin wurden vom Land Hessen für fünf Jahre jeweils 50.000 Euro und für weitere drei Jahre je 20.000 Euro zur Verfügung gestellt. Der Hauptschwerpunkt lag auf der Ansiedelung von Amphibien. Im Laufe dieser Jahre habe ich im gesamten Zimmerner Waldgebiet circa 50 Teiche anlegen lassen, die zum Teil untereinander vernetzt sind. Vorhandene Entwässerungsgräben wurden mäandriert und der Erfolg gibt uns Recht. Wir wollen das wenige Wasser möglichst lange hier im Wald halten. Die Artenvielfalt der Amphibien hat enorm zugenommen. Neben diesen sind die Teiche aber auch Lebensraum für vielfältige Teichgesellschaften aus Pflanzen und Tieren, wie zum Beispiel Libellenarten, Wasserkäfern und Mückenlarven. Manchmal sieht man auch Stockenten oder schöpfende Wildtiere, Fledermäuse auf der Jagd oder eine schwimmende Ringelnatter.

Inzwischen ist das Projekt vom Landkreis übernommen worden und wird von der Unteren Naturschutzbehörde betreut, die ebenfalls projektbezogen Geld zur Verfügung stellt. Im letzten Jahr sind für das Geld die Teiche freigestellt worden, das heißt für die frühzeitige Erwärmung der Teiche muss der Baumbestand nach Süden hin ausgelichtet werden. Wichtig ist mir die Verknüpfung von Naturschutz mit nachhaltiger Waldbewirtschaftung, um den Bürgern von Groß-Zimmern auch in Zukunft einen erlebnisreichen Erholungsraum bieten zu können.

Durch die 2006 eingeweihte Waldschule mit dem angegliederten Waldkindergarten, die weitestgehend mit Sponsorenmitteln realisiert wurden, können wir den Kindern, aber auch Erwachsenen durch waldpädagogische Veranstaltungen den Lebensraum Wald näher bringen. Dabei helfen mir viele Ehrenamtliche, insbesondere auch Mitglieder des örtlichen NABU. Wir können u.a. Waldferienspiele anbieten, bei denen Kinder den Wald erleben können und die Eltern einen dafür vertretbaren Kostenaufwand haben.

Letzte Frage: Wie klappt die Zusammenarbeit mit den Behörden und was bedeutet die Waldproblematik für die Gemeinde?

Wenn ich auf meine fast 30 Jahre im Zimmerner Wald zurückblicke, so kann ich sagen, dass meine Arbeit durch die vielfältigen Vernetzungen mit engagierten Menschen und Institutionen positiv bereichert wurde. Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde, den Gremien, aber auch den Mitarbeitern vom Bauhof und der Unteren Naturschutzbehörde ist durchweg gut. Ich finde immer ein offenes Ohr und die nötigen Mittel, wenn ich mit begründeten Vorschlägen komme.


Allerdings haben wir früher jedes Jahr an den Gemeindehaushalt 40.000 bis 50.000 Euro abführen können, manchmal sogar mehr. Diese Zeiten sind erst einmal vorbei. Für dieses Jahr haben wir ein Minus von 43.000 Euro geplant. Die Maßnahmen zur Verkehrssicherung im Wald sind sehr arbeitsaufwändig und teuer. Wenn mehr Menschen in den Wald kommen, muss noch mehr für deren Sicherheit getan werden. Und die Holzpreise sind durch Überangebot und schlechte Qualität stark gesunken. Es ist absehbar, dass Zuschüsse von der Gemeinde notwendig sein werden. Aber das sollte uns der Wald wert sein!

Vielen Dank, Herr Starke! Ich bin beeindruckt von der Arbeit, die Sie als Revierförster schon so lange für unseren Wald und unsere Gemeinde leisten. Dafür ein Dankeschön, auch im Namen des Odenwaldklubs!

Das Interview führte Monika Ebert

Teich in der BirkertschneiseTeich in der Birkertschneise, einer von ca. 50 angelegten Teichen, die das Wasser im Wald zurück halten

LaubfroschLaubfrosch

Hufeisen-Azurjungfer bei der EiablageHufeisen-Azurjungfer bei der Eiablage

Molchlarve im Teich an der Langen SchneiseMolchlarve im Teich an der Langen Schneise