Odenwaldklub
Groß-Zimmern e.V.

wandern mit dem Odenwaldklub

Wanderbuch 90 Jahre OWK Groß-Zimmern
(2) Spaziergang zurück in die Eiszeit

13000 Jahre ist die letzte Eiszeit her. Spuren hat sie bis heute hinter­lassen. Zum Beispiel mit dem Sandrasen am Freizeit­gelände Spießfeld in Dieburg. Eine besonders abwechslungs­reiche Tour dorthin haben die Wander­führer des Odenwald­klubs Groß-Zimmern für ihre vierte Wander­empfehlung zusammen­gestellt.

Start und Ziel ist der Wald­park­platz am Laubweg (auch als Lange Schneise bekannt). Vom Park­platz geht es zunächst ca. 200 m geradeaus in den Wald hinein, dann am ersten Querweg links und kurze Zeit später nach rechts. Dieser Waldpfad passiert auf einer Länge von ca. einem Kilometer zuerst die ehemalige Birken­ruhe und später eine Aufforstung. Kurz bevor der Weg scheinbar auf die Wiesen Richtung Gundern­hausen hinaus­führt, macht er unvermittelt einen Schlenker nach rechts. Wenige Schritte danach tut sich von rechts eine breite Schneise auf. Die Beschilderung ist verwirrend. Ein rotes Schild vermeldet Fisch­weiher­weg, ein anderes Fisch­wasser. Nur wer den Kopf reckt und sich etwas dreht, findet auch das Schild Kümmels­wiesen­schneise. Dieser Schneise folgt man nun bis zu ihrem Ende für insgesamt etwa 2 Kilometer. Sie überquert zuerst die Lange Schneise, kommt am Vogel­häuschen des Schmalen Beckerwegs vorbei und kreuzt schließlich den Breiten Beckerweg. Wenige Meter dahinter biegt ein schmaler Trampel­pfad nach links ab.

Ihn sollte man keinesfalls verpassen. Denn er leitet zu den Wasser­tümpeln, die im Rahmen des Projektes Messeler Hügelland angelegt wurden. Eine Baumel­bank lädt hier ein, nicht nur gelenk­freundlich die Beine baumeln zu lassen, sondern auch die Seele. Bei warmem Wetter lassen sich die Libellen und Zitronen­falter bei ihrem Tanz über die Wasser­ober­fläche beobachten. Manchmal zieht auch ein krächzender Kolkrabe durch die Luft und aus Mangel an den üblichen Umwelt­geräuschen erscheint das Vogel­gezwitscher laut­stark. Eigentlich möchte man diesen dank seiner wilden Natur fast mystisch erscheinenden Ort gar nicht mehr verlassen. Doch die Wanderung ist noch nicht zu Ende.

Zurück auf der Kümmels­wiesen­schneise geht es linkerhand an der mit Schwarzerlen aufgeforsteten Kümmels­wiese vorbei, bald über den Viehtrieb hinweg und immer weiter auf dem sich langsam verengenden Pfad, der sich einmal nach links und dann wieder nach rechts windet. Allmählich wird der Boden sandiger, die Baum­stümpfe immer bizarrer. Die Kümmels­wiesen­schneise endet schließlich auf dem Weg, der vom Viehtrieb kommend zum Freizeit­gelände führt. Diesem breiten Wanderweg folgt man wenige Meter nach links und nimmt die erste Möglichkeit nach rechts. Hier betritt man das Landschafts­schutz­gebiet des Sandrasens – eine offene Wiesen­landschaft, in der derzeit unzählige Schafe mit ihren Lämmern ihren Dienst als Landschafts­pfleger leisten.

Entlang der Ginster­büsche geht es weiter bis zu einem Hoch­sitz in der Ecke, dann biegt man links ab und gelangt vorbei an einem eingezäunten Gelände schließlich zum östlichsten Zipfel der Dieburger Freizeit­anlage Spießfeld. Hier hat man die Qual der Wahl – zuerst den See umrunden oder sich gleich auf einer der Bänke niederlassen, um sich an den Küken der Nilgänse zu erfreuen oder den Graugänsen, Stockenten und Kormoranen zuzuschauen. So oder so – irgendwann heißt es auch hier Abschied­nehmen von diesem Natur­schau­spiel und das Spießfeld über den östlichen Ausgang Richtung Dieburg zu verlassen.

Zwischen Sandrasen und Acker, mit Blick auf die Geflügel­farm und die ersten Häuser von Dieburg, führt der Weg weiter. Eine leider nicht mehr gut lesbare Infotafel zu Flora und Fauna dieser Region steht etwas abseits vom Weg (derzeit hinter einem Schafzaun). Dort wo der Sandrasen an das erste Feld grenzt, biegt man rechts Richtung Süden ab, nur um kurze Zeit später wieder den Feldweg in Richtung Dieburg einzuschlagen und auf das Grün am Entwässerungs­graben zuzugehen. Am Hochsitz geht es rechts und dann braucht man nur noch dem Weg, der zunächst am Waldrand, dann über den Graben hinweg schließlich quer durch den Wald verläuft, treu zu bleiben. Er mündet schließlich auf einen breiten Waldweg mit einem Hochsitz, an dem es links zum Parkplatz am Viehtrieb geht. Der schmale Pfad mit der Kenn­zeichnung gelber Doppelstrich zwischen Schranke und Papierkorb weist den Weg zum Ziel.

Nützliche Infos:

Start und Ziel: Waldparkplatz am Laubweg
Streckenlänge 6,5 km
Abkürzungsmöglichkeit: Vom Parkplatz Laubweg dem Schmalen Beckerweg folgen bis zum Vogelhäuschen. Dann rechts in die Kümmelsschneise einbiegen und weiter wie beschrieben (insgesamt 5,2 km)

Interessantes am Weg

Kümmelswiese und das Naturschutzprojekt Messeler Hügelland
Tatsächlich wuchs auf der Wiese, zwischen Breitem Beckerweg und Viehtrieb einst Wiesenkümmel. Vor mehr als 30 Jahren verschwand die Wiese jedoch zugunsten einer Aufforstung mit Schwarzerlen. Heute befinden sich in direkter Nachbarschaft die erst vor wenigen Jahren neu geschaffenen Teiche mit der Baumelbank. Sie gehören zu den insgesamt 120 Wasser­tümpeln, die im Rahmen des Natur­schutz­projektes Messeler Hügelland in den Jahren 2010 bis 2018 im südlichen Teil des Messeler Hügel­landes auf rund 9000 ha angelegt wurden. Das Kooperations­projekt des Landes Hessen mit dem Landkreis Darmstadt-Dieburg hatte zum Ziel, die Biodiversität in der Region nachhaltig zu schützen, zu steigern und für den Menschen begreifbar zu machen. Ein besonderes Augenmerk lag darauf, Feucht­wälder gezielt zu fördern und Natur­ruhe­zonen einzurichten. Auch die Vernetzung von Feucht­biotopen, beispiels­weise durch die Renaturierung von ehemaligen Entwässerungs­gräben, trug wesentlich dazu bei, bedrohten Arten wie der Gelbbauchunke, dem Laub- und Moorfrosch, Ziegenmelker, Wendehals und Pillenfarn Lebens­räume anbieten zu können. Eine besondere Maßnahme im Zimmerner Wald stellte auch die Frei­stellung der Sandkaute in der Nähe der Kümmels­wiese am Viehtrieb dar. Früher wurde hier Sand als Baumaterial abgebaut. Die Sandkaute stellt gerade für wärme­liebende Käfer­arten, Wild­bienen und Falter einen wert­vollen Lebensraum dar.

TeichKuemmelswiese.jpgFast ein mythischer Ort: die Teiche an der KümmelswiesenschneisePlattbauchlibelle.jpgPlattbauchlibelle am Teich in der Kümmelswiesenschneise

Lebensraum Sandrasen
Die geologische Beschaffenheit des Land­schafts­schutz­gebietes Sandrasen in Dieburg hat ihren Ursprung vor rund 13000 Jahren. Am Ende der letzten Eiszeit wurde aus den Schotter­feldern des Rheins, des Altneckars und des Mains Flugsand ausgeblasen und örtlich zu Binnen­dünen aufgeweht. Vielerorts sind sie schon der landschaftlichen Nutzung, unter anderem auch dem Spargel­anbau, der Überbauung oder Aufforstung zum Opfer gefallen. Heute genießen die noch vorhandenen Trocken­lebens­räume wie der Dieburger Sandrasen dank der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie einen besonderen Schutz. Sandgebiete sind durch Trockenheit, Wärme, Nährstoff­armut und geringe Boden­entwicklung Lebens­raum für eine Vielzahl von gefährdeten Tier- und Pflanzen­arten. Die durch­lässigen Böden können kaum Wasser speichern, erhitzen sich im Sommer auf bis zu 60 Grad Celsius und trocknen im Jahres­verlauf extrem aus. Pflanzen und Tiere, die hier zu Hause sind, haben sich in viel­fältiger Weise an diese extrem trockenen Bedingungen angepasst. Auch Insekten, vor allem Wild­bienen, lieben den sandigen Lebensraum.

FZG_Spiessfeld.jpgFreizeitgelände Spießfeld

Schafe als Landschaftspfleger
Schafe tragen wesentlich dazu bei, den Lebens­raum Sandrasen für gefährdete Tiere und Pflanzen wie zum Beispiel das Silbergras und die Grasnelke, für den Sandlaufkäfer oder die Blaue Ödlandschrecke zu erhalten. Denn auf ihrem Speise­plan steht all das, was normaler­weise zur Verbuschung dieser Landschaft führen und somit den Bewohnern den Lebensraum nehmen würde. Außerdem transportieren die Schafe bei ihrer Wanderung von einem Weide­gebiet zum anderen Pflanzen­samen in ihrem Pelz, so dass einzelne Sandareale miteinander vernetzt werden und sich seltene Pflanzen­arten leichter ausbreiten können.

Autorin Birgit Eisenlöffel

SchafeSandrasen.jpgLandschaftspfleger bei ihrer Arbeit auf dem Sandrasen


Blaufluegelige-Oedlandschrecke.jpgEin typischer Bewohner des mageren Sandrasens ist die Blauflügelige ÖdlandschreckeHauhechel-Blaeuling.jpgDer Hauhechel-Bläuling liebt offene Bereiche und ist hier häufig anzutreffenNilgans-mit-Kueken.jpgNilgans mit Küken

LebensraumSandrasen_Karte.jpgKartenausschnitt mit eingezeichneter Wanderstrecke

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