Odenwaldklub
Groß-Zimmern e.V.

wandern mit dem Odenwaldklub

Damals war‘s ...

Interview mit dem Ehrenvorsitzenden Horst Neumann und der Hauptwanderwartin Erika Neumann

damals, Erika und Horst Neumann

Horst und Erika Neumann sind zwei Urgesteine des Odenwaldklubs Groß-Zimmern. Sie sind zwar noch nicht 90, können aber trotzdem auf eine lange Vereinsgeschichte zurückschauen, die ein Teil ihres Lebens geworden ist. Mit Ihnen sprach Monika Ebert über vergangene Zeiten.

Liebe Erika, lieber Horst, ihr seid zwar den meisten bekannt, aber könnt ihr euch trotzdem kurz zu eurer Vereinsgeschichte äußern?

Horst: Als ich 14 Jahre alt war, starb mein Vater plötzlich. Es war keine leichte Situation, und unser Hausarzt, Dr. Korell, brachte mich zum Odenwald­klub, dem ich 1955 bei­getreten bin. Er hat mich von Anfang an gefördert, und so wurde ich bald für die Durch­führung einiger Veran­staltungen der Jugend­gruppe verant­wortlich. Ich war im weiteren Verlauf Mitglied der Koch­mann­schaft, stellver­tretender Wander­wart, Presse­wart und schließ­lich Erster Vor­sitzender von 1982 bis 1985 und noch­mals von 1996 bis 2009. Und jetzt bin ich also euer Ehren­vor­sitzender.

Erika: Ich kam 1955 durch meine Eltern zum Odenwald­klub. Erst in den 1970er Jahren habe ich mit der ehren­amtlichen Tätig­keit begonnen. Ich war mehr­fach Bei­sitzerin im Vor­stand, Mit­glied im Vergnü­gungs­aus­schuss, stell­vert­retende Kassen­ wartin, und bis heute Wander- bzw. Haupt­wander­wartin und Archi­varin.

Es wird immer erzählt, dass der Odenwald­klub in seinen Anfängen ein elitärer Verein war. Was kann man sich darunter vor­stellen?

Ja, es war tatsächlich so, dass am Anfang nur Besser­gestellte Mitglied im Odenwaldklub wurden. Es waren Firmen– oder Geschäfts­inhaber, Ärzte und Beamte. Viele Groß-Zimmerner waren bereits im Dieburger OWK aktiv, und so war es nur eine Frage der Zeit, dass eine eigene Orts­gruppe gegründet wurde. Wahr­schein­lich wollte man in den ersten Jahren wirklich unter sich bleiben. Aber man muss sich auch die damalige Situation vor Augen halten: Arbeiter hatten gar keine Zeit und sicher auch nicht die finanziellen Mög­lich­keiten, einem solchen Verein bei­zutreten. Wer sechs Tage in der Woche schwer arbeitete, ging am Sonntag nicht noch wandern ...
Trotzdem stiegen die Mit­glieder­zahlen in den 1940er Jahren an. In den letzten Kriegs­jahren musste die Vereins­tätigkeit jedoch ein­gestellt werden. Erst in den 1950er Jahren wurde aus dem Honoratioren­verein ein Klub, der allen Bevölkerungs­schichten offen­stand.

OWK-Wanderung Breuberg 05.05.1932

damals Jugendgruppe

Zum elitären Anspruch gehörte es bis weit in die 50er Jahre, dass ein Bürge in Abwesenheit des Antrag­stellers dessen Auf­nahme in den OWK befür­worten musste. Dr. Korell tat dies zum Beispiel für Horst Neumann im November 1954.


Der Altersdurchschnitt in unserem Orts­verein ist von anfäng­lich unter 30 auf  heute rund 66 Jahre gestiegen. Da kann von Jugen­darbeit keine Rede mehr sein. Das war aber mal ganz anders?

Horst: Ja, genau. Anfang der 1950er Jahre wurde von Dr. Korell und seiner damaligen Frau Gertrud eine Jugend­gruppe auf­gebaut. Die wöchent­lichen Tref­fen fanden anfangs im Warte­zimmer von Dr. Korells Praxis statt, später dann in der Friedens­schule. Frau Korell hat eine Tanz­gruppe gegründet, es wurden Volks- und Wander­lieder gesungen und kleine Theater­stücke und Sketche aufgeführt. Wir waren jung und alles machte Spaß!

Es war eine schöne Zeit. Wir veran­stalteten eigene Jugend­wanderungen mit Über­nachtung in Jugend­herbergen. Zu den Deutschen Wander­tagen in Passau, Aachen und Fulda gab es immer ein ein­wöchiges Zeltlager.

Höhepunkt war eine Fahrt nach Stockholm im Rahmen des inter­nationalen Jugend­aus­tausches mit zwei­wöchigem Zelt­lager an der Ostsee.

Die Jugendgruppe in dieser Form war circa zehn Jahre aktiv. Ich bin 1959 zum Studium nach Frankfurt gezogen.

Die Fahrt nach Stockholm  erfolgte in zwei Klein­bussen - stunden­lang durch Wald und Wiesen. Alle hatten unheim­lichen Durst. Bei einer Pinkel­pause ent­deckte einer eine Kuh in etwa 200 Metern Ent­fernung. Er wollte sie melken. Es war ein Ochs!

Die allgemeine Situation hatte sich aber inzwischen auch geändert. Es gab deut­lich mehr Vereine in Groß-Zimmern, die oft­mals für Jugend­liche attrak­tiver waren als ein Wander­verein. Das ist der Lauf der Zeit, wie wir ihn ja bis heute beob­achten können.

Dr. Korell wurde schon mehr­fach erwähnt. Ich - wie viele andere auch - kennen ihn nicht mehr. Wie war die Ent­wicklung des OWK unter seiner Leitung?

Dr. Korell wurde 1957 Erster Vor­sitzender und war es — mit Unter­brechungen — bis 1980.

damals Jugend 1957
damals am Felsenmeer

Er war ein Landarzt mit Leib und Seele und hatte eine gut gehende Praxis. Das Wandern war seine Passion. Er hatte keine Probleme, seinen Patienten das Wandern gegen diverse Wohl­stands­beschwerden zu ver­ordnen.
Damit hat er natür­lich dazu bei­getragen, dass die Mit­glieder­zahlen suk­zessive auf deutlich über 200 anstiegen. Und aus dem elitären Verein wurde nun ein Verein für jeder­mann. Natürlich war es durch wachsenden Wohl­stand auch allen, die wandern wollten, möglich, die Zeit und die Kosten für Bahn­fahrt und Mittag­essen auf­zubringen.
Obwohl er durch seinen Beruf mehr als gefordert war, setzte sich Dr. Korell voll und ganz für den Odenwald­klub ein. Wandern und Bewegung gehörten zu seinen Lebens­maximen.

Es fand früher ein sehr reges Vereins­leben auch außer­halb der Wanderungen statt. Woran erinnert ihr euch besonders gern?

Erika: Ich erinnere mich gern an die Feste und Veran­staltungen, die wir organisiert haben. Es gab damals in Groß-Zimmern Bälle, die von einzelnen Vereinen initiiert wurden. Das hat auch der OWK anfangs getan. Jedes Jahr wurde Fast­nacht gefeiert und zu Himmel­fahrt veran­stalteten wir ein offenes Vereins­fest an der Birken­ruhe. Selbst­gebackener Kuchen und Essen von der Koch­mann­schaft waren unser Marken­zeichen.


Sehr interessant waren auch immer die Heimat­abende mit Dr. Manfred Göbel zur Zimmerner Geschichte. An den Kerb­umzü­gen haben wir uns früher mehr­mals aktiv beteiligt. Das war ein großer Aufwand, denn Ideen mussten gefunden, Kostüme genäht und Utensilien gebastelt werden. Aber es war trotzdem eine gesellige An­gelegen­heit.

damals Mittagsrast

Horst: Man kann die Geselligkeit natür­lich nicht von den Wander­ungen trennen, denn dadurch sind ja — zum Teil lebens­lange — Freund­schaften ent­standen.
Die Familien­wanderungen in den Ferien, die Wochen­end­wanderungen von Dr. Korell und die Hoch­gebirgs­touren haben viel zum Zusammen­halt bei­getragen. So anstrengend diese Wanderungen manch­mal waren – nach kurzer Erholungs­pause wurde abends immer noch was ange­stellt und wir hatten viel Spaß!

1982 kam die Kerb­bobbe aus Österreich, und das ist die Geschichte dazu: Eine OWK-Gruppe war auf Hoch­gebirgs­tour in Bach im Lech­tal. Zu Besuch kamen zwei Kerb­borschte mit der Kerb­bobbe, für die zuvor der Bürger­meister in Groß-Zimmern eine Zoll­bescheini­gung aus­fertigen musste. Mit der Bobbe stieg man gemein­sam auf einen der um­liegen­den Gipfel und machte dort ent­sprechende Fotos. Beim Ab­stieg regnete es und die Bobbe wurde in blaue Säcke verpackt; nur die Füße schauten heraus! Eine köst­liche Szene für einen Tirol-Krimi ...
Am Kerb­samstag kam die Hoch­gebirgs­truppe zufäl­lig recht­zeitig zur üb­lichen Ab­holung der Kerb am Brückelche zurück und über­gab die Bobbe an die Kerb­borschte.

Zwei Dinge, die ich noch kenne, sind die Koch­mann­schaft und die Birken­ruhe. Das sind durchaus Besonder­heiten für unseren Verein. Erzählt bitte davon!

Horst: Die Kochmann­schaft wurde 1968 gegründet. Sie war ursprüng­lich eine reine Männer­sache! Die ersten Mit­glie­der waren Karl Emmerich, Georg Pullmann, Leonard Schönig, August Held, Walter Riemer, Walter Sproß und ich. Bei mir ging es aber nicht ums Kochen, sondern darum, dass ich unseren Firmen­bus für den Trans­port zur Ver­fügung gestellt habe. Vor Ort wurde ich dann eher zum Holz­sammeln geschickt ...
Damals war es schwierig, geeig­nete Wirt­schaf­ten für große Grup­pen zu finden. Außer­dem war es für Familien mit Kindern schlicht­weg zu teuer, einzu­kehren. Deshalb war die Devise: „Wenn ein ‚Dibbe Supp’ mit Brot genügt, dann kochen wir selber!“
Später stellte auch Peter Vorbeck ein Fahr­zeug für den Trans­port, und Karl Emmerich war sehr rührig im Besorgen der benötigten Koch­uten­silien. So geschah eben vieles in Eigen­leistung. Dadurch konnten die Preise für das Essen ent­sprechend niedrig gehalten werden. Mit den Jahren wurde man anspruchs­voller. Zur Suppe kamen Nach­tisch, Kaffee und Eis. Das bedeutete einen enormen Aufwand, auch schon am Abend vor der Wanderung. Besonders Familie Klein hat sich da in späteren Zeiten engagiert. Letzt­malig wurde im Jahr 2008 gekocht. Danach fanden sich keine Mit­glieder mehr, die diese Auf­gabe über­nehmen wollten.

damals 1991 auf dem Rotweinwanderweg
damals 1989 auf dem Fernwanderweg E1

Erika: Die Birkenruhe wurde auf Initiative des damaligen Ersten Vor­sitzenden, Karl Horst Kapp, ins Leben gerufen.

Es sollte einen Treff­punkt für das Vereins­leben in erreich­barer Nähe geben, die August-Göbel-Hütte war zu weit ent­fernt. Den Platz und das Holz stellte die Gemeinde zur Ver­fügung. Das Meiste wurde dann über die Jahre in Eigen­leistung geschaf­fen.

Überschüsse, die aus Festen und dem Aus­richten von Wander­tagen erwirt­schaftet wurden, flos­sen mit in die Finanzierung ein. Ich erinnere mich noch, wie schön es war, nach einer Wanderung an der Birken­ruhe zu sitzen und den Abend zu genießen. Auch für die Birken­ruhe hat sich Karl Emmerich sehr engagiert und verant­wortlich gefühlt. Daher kam es wohl auch, dass die Birken­ruhe zeit­weise „Karlsruhe“ genannt wurde.


Einmal musste die Koch­mann­schaft für 110 Personen Kartoffel­klöße machen, dazu Gulasch und Salat; das Ganze für 5 DM/Person!
Ein andermal wurde auf dem falschen Park­platz gekocht und man kam nach einer Such­aktion ver­spätet zu den hungrigen Wanderern.
Bei einem Eintopf sah Horst Neumann den gesamten Pulk der Wanderer kommen und ließ noch Wasser in die Suppe kippen. Das tat der Qualität zwar keinen Abbruch, aber der Kommentar eines Wanderers war: „Wasser­suppe esse ich nicht!“


Welche Veränderungen im Vereins­leben konntet ihr in den vielen Jahren fest­stellen?

Die größte Veränderung ergibt sich aus dem veränderten Alters­durch­schnitt. Kinder und Jugend­liche haben heute andere Priori­täten, und sie wandern kaum noch mit. So hat sich die Jugend­arbeit quasi zur Senioren­arbeit gewandelt; das empfinden wir aber auch als wichtige Aufgabe.

Eine positive Entwicklung war das Wandern in mehreren Gruppen und die Ein­führung einer Wochen­tags­wanderung. Das sorgte für mehr Flexibilität und hat steigende Mit­glieder­zahlen beschert.

Auch die Wander­reisen ins Aus­land seit den 1990er Jahren sind eine große Bereicherung. Wohl­stand, offene Grenzen und mehr Mobilität machten sie möglich.

Natürlich hat man sich auch ab und zu ver­laufen. Früher, als es noch kein GPS und schlechtere Karten gab, war das öfter der Fall als heute. Dann tröstet nur der Spruch von Horst Neumann: „Da wollte ich schon immer mal hin.“

Bei einer Strecken­wanderung im Schnee­treiben kam die zweite Gruppe der ersten Gruppe entgegen … Das war nicht Sinn der Sache.

In Rimbach ist ein Wanderer nach einer not­wen­digen Pause im Wald bei schlechter Sicht einer fremden Gruppe gefolgt. Niemand hat es bemerkt, und der Bus fuhr ohne ihn zurück. Darum wird seitdem immer nach­gezählt ...

damals Birkenruhe Brunnen

Das gesellige Vereins­leben hat nach unserer Meinung deutlich abgenommen. Der Indivi­dualismus nimmt zu, und dar­unter leidet nicht nur der Odenwald­klub. Und die Zeiten, als sich mehrere Bewerber um eine Funktion im Verein gestritten haben, sind lange vorbei!

Und dabei ist Wandern durchaus „in“ – aber bitte nicht im Verein! Damit müssen wir leben, und Corona macht es nicht leichter. Aber viel­leicht hilft diese Broschüre, noch mehr Menschen zum Wandern zu ermuntern und auch unseren Verein in die Zukunft zu führen.

Lieber Erika, lieber Horst, vielen Dank für das Kramen in euren Erinnerungen und für euer Engagement im Odenwald­klub. Bleibt bitte gesund und kommt gut über diese schwierige Zeit!

Das Interview führte Monika Ebert

Sportwanderung 2016Wie sich die Zeiten ändern: Sportwanderung 2016